Mental Reservation ist eine der wichtigsten Bands in meinem Leben und die Geschichte vielfältig, daher teile ich sie auf mehrere Artikel auf. Hier der erste Teil, die nächsten Teile erscheinen in Kürze.
1999 fragte mich Christian ob ich Lust hätte auf die vage Chance beim Deutschen Rock- und Poppreis in Kassel aushilfsweise mit Mental Reservation zu spielen, da ihr Schlagzeuger gerade die Segel gestrichen hatte. Ich hatte Zeit und Lust auf alles was mit Musik zusammenhing, also sagte ich zu, auch wenn die Chance gering war, nämlich nur, wenn man beim Demo-Hearing der Jury so richtig gefiel, durfte man anschließend zusätzlich zu den vorher schon ausgewählten Bands noch live spielen.
Das Ergebnis sei vorweggenommen: wir spielten nicht, trotzdem hatten wir an dem Wochenende einen Riesenspaß. Björn und ich, die wir uns vorher nur vom Sehen kannten entdeckten schon auf der Hinfahrt im Zug unsere gemeinsame Leidenschaft für Hörspiele, so daß die Grund-Stimmung schon mal stimmte. Dann wurde uns bald klar, dass dieser ganze Preis eine ziemliche Farce war, den kompletten Tag über spielten Bands, das Publikum entschied wer gewann. Und zwar nach absoluten Zahlen, so dass – wenn man morgens um Elf vor drei Leuten spielte, man halt maximal drei Stimmen kriegen konnte, während Abends die Halle immerhin teilweise gefüllt war. Dazu hörten zweimal vier Leute zwei Tage lang von morgens bis abends hunderte von Demos, immer zwei Minuten je Band. Der Kommentar der Jury zu Mental war u.a. „Der Bass ist zu laut“, was bei einer Besetzung von zwei Gitarren und Schlagzeug eine interessante Einschätzung ist. Der Depp am Mischpult (Wir nannten ihn wegen seiner Frisur nur den „Löwen“) kapierte auch nicht, dass bei 20-Minuten-Cassetten das Zählwerk schneller läuft und drehte nach weniger als einer Minute den Saft ab, bevor der erste Refrain kam, so wurde jedee Chance doch noch live zu spielen im Keim erstickt.
Zwischendurch stapften wir mal eine gefühlte Stunde im Schnee durch ein Wohngebiet weil jemand uns fest versichert hatte, dass dies der Weg zum nächsten McDonald’s war, der dann wider erwarten tatsächlich am Ende des Schnees auch noch auftauchte.
Als wir am Abend in die Turnhalle zum Schlafen kamen, mussten wir feststellen, dass quasi kein Platz mehr da war, quetschten wir uns irgendwo in die Mitte zwischen lauter Alkohol-Leichen. Ich hatte Björn und Christian vorher jeweils eine Luftmatratze von meinen Eltern geliehen, mit der eindeutigen Aufforderung diese vorher einmal aufzupumpen um zu überprüfen ob sie denn auch dicht sei. Christian hatte dies gemacht, Björns Matratze war nicht dicht – wie er während jener kurzen Nacht in der Turn-Halle dann auch merkte.
Am nächsten Morgen beim Bäcker entstand auch das Gerücht, ich hätte die Bäckerei-Frau aufgefordert die Kuchentheke zu öffnen und mir nur einen großen Löffel zum rückhaltlosen Verspeisen sämtlicher Torten gebeten. Tatsächlich ist dies aber nur ein unter uns geäußerter Wunschtraum gewesen, ich begnügte mich mit Herrenbrezel und Vanillebrille.
Es folgte ein weiterer Gastauftritt auf der Weihnachtsfeier von Björns damaliger Firma im Kesselhaus, bei dem ich der Chance mal kostenlos bestellen zu können, was ich wollte, nicht widerstehen konnte. Danke Christian, dass Du mein Auto nach Hause gefahren hast, obwohl Du dann noch fast 2km zu Fuss weitergehen musstest. Ich hatte am nächsten Morgen auf jeden Fall deutliche Schwierigkeiten meine 8:00-Übungsstunde als Tutor zu betreuen. Irgendwie ist mir aber auch das gelungen.
Auf die Idee festes Bandmitglied zu werden kam ich aber nicht, stattdessen entstand irgendwann während dieser Zeit der Plan eine zweite Band gründen, etwas härtere Gangart, für die wir in dieser Besetzung noch einen Bassisten suchten. Davon hier mehr.